Heideblütentee gegen Schlafstörungen und Depressionen – Fake News?

Modeerscheinungen und Trends gibt es natürlich auch in der Medizin. Speziell im Bereich der alternativen Medizin tauchen vor allem übers Internet die unglaublichsten Sensationsmeldungen über wundersame Heilerfolge auf. Exotische oder längst vergessenen Heilpflanzen aus sämtlichen Ecken der Welt werden gegen alle möglichen Krankheiten und Wehwehchen angepriesen und  helfen am besten „für oder gegen alles“.

Nicht nur, dass es bei der unglaublichen Informationsflut heutzutage für den einzelnen schier unmöglich ist, diverse Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, es werden leider auch viele Fake News aus dem Netz unkritisch übernommen, geteilt und automatisch für richtig gehalten, nach dem Motto: „das hab ich im Internet gelesen, also muss es richtig sein“. Und so kommt es leider immer häufiger zu Fehlanwendungen, unberechenbaren Wechselwirkungen oder schlicht und einfach zu keiner Wirkung – was dann aber wieder auch langjährig erprobte und bewährte alternative Therapierichtungen in Verruf bringt „alles Blödsinn, das hat mir überhaupt nicht geholfen“.

Vor kurzem wurde ich auf so eine „vergessene Heilpflanze“ aufmerksam gemacht: Heideblütentee gegen Schlafstörungen in der Schwangerschaft wurde bei uns in der Apotheke bestellt (…).

Heideblütentee…

Gemeint sind die frischen oder getrockneten Blüten von Heidekraut, auch bekannt unter dem Namen Erika. Lateinisch unter der Bezeichnung Flos Callunae bzw. Flos Erica zu finden.

Heilpflanzen gegen Schlafstörungen fallen mir auf Anhieb mindestens fünf verschiedene ein, von Heideblüten habe ich weder in meiner inzwischen 14-jährigen beruflichen Tätigkeit als Apothekerin noch im Studium gehört. Das allein mag vielleicht noch nichts heißen – man lernt schließlich nie aus. Ein erster Blick in meine sehr umfangreiche Sammlung an Heilpflanzenbüchern bestätigte allerdings meinen Zweifel. In sämtlichen Kräuterbüchern und Lehrbüchern zur Phytotherapie wird der Heidekrautblütentee lediglich von Margret Madejsky in „Die Kräuterkunde des Paracelsus“ in einem Satz erwähnt und als „mildes Sedativum bei Schlafstörungen und seelischen Verkrampfungen“ beschrieben.

Auch die Kommission E kommt zu folgendem Schluss: „Da die Wirksamkeit bei den beanspruchten Anwendungsgebieten nicht belegt ist, kann eine therapeutische Anwendung nicht befürwortet werden. Gegen die Verwendung als Schmuckdroge bestehen keine Bedenken.“

Frei Schnauze im Dialekt übersetzt: Hilft´s ned, schad´s nix“.

„Die Kommission E bezeichnet eine selbstständige, wissenschaftliche Sachverständigenkommission für pflanzliche Arzneimittel des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes (BGA) und des heutigen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Deutschland. Diese Kommission berät das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in der Regel bei der Zulassung von traditionellen Arzneimitteln und von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen. “ Wikipedia

Noch wollte ich die Heideblüten allerdings nicht vom Tisch kehren: Ganz nach dem Motto „Probieren geht über studieren“ habe ich mir eine kleine Menge Flos Callunae bestellt und wollte die Wirkung im Selbstversuch testen. Dafür habe ich an drei verschiedenen Tagen eine Stunde vor dem Schlafengehen eine Tasse Heideblütentee getrunken.

Das Ergebnis meines Selbstversuches ist rasch erzählt: Ich habe weder schneller eingeschlafen, noch subjektiv besser, tiefer oder länger als normal geschlafen.

Fazit:

Für die Anwendung von Heideblütentee gegen Schlafstörugnen und nervöser Unruhe gibt es:

  • keine Positivmonographie der Kommission E
  • keine wissenschaftlich nachgewiesene Wirkung
  • keine Erwähnung in modernen Phytotherapie Lehrbüchern
  • keine bekannte traditionelle Verwendung (in Österreich und Deutschland)
  • keine positiven persönlichen Erfahrungen meinerseits

Alternativen:

Gute, wissenschaftlich abgesicherte pflanzliche Alternativen bei Schlafstörungen und nervöser Unruhe sind:

  • Baldrian
  • Melisse
  • Hopfen
  • Passionsblume
  • Lavendel
  • Kamille

Sie alle werden einzeln oder gemischt als Tee, Tinktur, Kapseln oder Tabletten in allen möglichen Kombinationen angeboten, werden gut vertragen und helfen in leichten Fällen von Schlafstörungen auch zuverlässig.

Man kann in diesem Fall also gut und gerne auf etablierte Heilpflanzen mit gesicherter Wirkung zurückgreifen und somit sehe ich keinen Nutzen darin, Heidekrautblüten gegen Schlafstörungen zu verwenden.

 

 

2 Kommentare

  1. Leider bin ich anderer Meinung … Heideblütentee ist sehr hilfreich um in den Schlaf zu kommen. Er ist basisch und hilft dem Körper sich zu entsäuern. Auch wenn es keine Studie gibt. Das ist meine persönliche Meinung

    • Danke für deine Rückmeldung! Natürlich kann die persönliche Erfahrung von der allgemeinen Lehrmeinung abweichen, für eine allgemeine Empfehlung der Heideblüten als Tee gegen Schlafstörungen und Depressionen habe ich allerdings zu wenig Referenzen gefunden. Einen Nachtrag zum Artikel möchte ich hier trotzdem anführen: Das Gemmomazerat des Heidekrauts (Calluna vulgaris), gewonnen aus den Knospen der Pflanze, wird tatsächlich gegen Unruhezustände und Einschlafstörungen verwendet. Siehe dazu: „Gemmotherapie“ von Chrischta Ganz und Luis Hutter, Erschienen im AT Verlag.

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